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Operation Innenstadt
Die Ludwigstraße hat sich zum gesundheitswirtschaftlichen Zentrum entwickelt. Die Nummer 21 beheimatet einen Hörgeräteakustiker, ein Sanitätshaus sowie Arztpraxen. Foto: Marco Stepniak

Operation Innenstadt

Lesedauer: ca. 5 Min. | Text: _Redaktion _RDN

Im Herzen von Oer-Erkenschwick: „Chancen nutzen!“

Innenstadt-Entwicklung geht nicht von heute auf morgen. Bürger, Politiker und Verwalter brauchen meist Engelsgeduld und bärenstarke Nerven auf dem Weg zum Ziel: Das Herz der Stadt soll modern, attraktiv und lebenswert sein. Mit ansprechenden Läden, Restaurants und Cafés, mit Ärzten, Banken und Behörden, mit Bildung und Kultur, Jobs und Wohnungen und mit viel Grün. Die kommunale Wunschliste ist lang. Die für den Umbau nötigen Eingriffe „am schlagenden Herzen“ einer Stadt sind oft kompliziert.

In Oer-Erkenschwick hat die „Operation Innenstadt“ allerdings bereits richtig Schwung aufgenommen. Auch wenn es an einer zentralen Stelle weiterhin klemmt. „Aber wir haben schon viel geschafft“, sagt Bürgermeister Carsten Wewers. Er appelliert an die Hauseigentümer in der City, weiter mitzuziehen: „Es lohnt sich, hier zu investieren. Nutzen Sie jetzt die Chancen!“

Operationen sind an der Ludwigstraße alltäglich. Denn hier befindet sich das wachsende gesundheitswirtschaftliche Zentrum der Stadt. Und im gerade frisch sanierten Ärztehaus Ludwigstraße 6 findet man neben 16 Altenwohnungen auch eine Art Mini-Krankenhaus: das Operationszentrum Vest. Dort können Fachärzte aus der Region für kleinere oder mittelgroße Eingriffe topmoderne OP-Säle mit allem Schnick und Schnack mieten. Inklusive Fachpersonal, Anästhesie und Instrumenten. Kurzstationär können bis zu 14 Patienten untergebracht werden. Die meisten (70%) der jährlich bis zu 4000 Operationen werden allerdings ambulant durchgeführt.

28.02.2025
Oer- Erkenschwick 
Gesundheitszentrum mit OP Zentrum an der Ludwigstraße 
foto: copyright  marco stepniak  -  
mobil  +49 171 2771906 ,  marco@stepniak-bild.de
Das Ärztehaus an der Ludwigstraße 6 wurde energetisch saniert und die Fassade des
Gebäudes erneuert, in dem sich unter anderem Facharztpraxen befinden.
Das OP-Zentrumbefindet sich. Foto: Marco Stepniak

Gegenüber, im Erdgeschoss des neuen Gebäudes mit der Hausnummer 21, sind ein Hörgeräte-Akustiker und ein Sanitätshaus eingezogen. Darüber befinden sich eine Praxis für Haar-Ästhetik und ein Frauenarzt. Oben gibt es fünf Wohnungen und zwei Penthäuser. Ein paar Haustüren weiter befinden sich übrigens eine große HNO-Praxis und das Schlafzentrum Vest.

Das alles ist ein Gewinn für die Stadt und ihre Bürger. Denn die finden vor Ort ein immer breiteres medizinisches Dienstleistungsangebot vor und können sich somit weite Wege in die Region sparen“, freute sich Bürgermeister Wewers bei einem Treffen mit Investor Patrick Böing, Geschäftsführer der Lütkenhaus/Böing Immobilienverwaltung. Das Unternehmen hat zuletzt allein am Standort Ludwigstraße einen zweistelligen Millionenbetrag investiert.

Gute Zwischenbilanz

„Weil es sich lohnt“, ist Wewers überzeugt. „Viele haben schon die Chancen und Möglichkeiten der Innenstadt-Entwicklung in Oer-Erkenschwick erkannt.“ Der Ratsvorsitzende zieht eine gute Zwischenbilanz: „Unsere Umbau-Pläne nördlich des Berliner Platzes sind erfolgreich abgeschlossen.“ Die Nachfrage nach den Neubauwohnungen war sehr groß. Zumal alles in der Nähe, zu Fuß erreichbar ist: Geschäfte und der zentrale Busbahnhof am Berliner Platz, ein neues Fachmarktzentrum (mit Aldi und DM), Schule und Kindertagesstätte, Polizei-Dienststelle und das Matthias-ClaudiusZentrum des Diakonischen Werks. Das Alten- und Pflegeheim organisiert jede Menge Fachberatung (von Schulden bis Sucht, Migration bis Integration) und ist ein Treff für alle, samt Kulturcafé mit Lesungen, Jazz, Ausstellungen und Workshops.

„Die nächsten Aufgaben liegen südlich des zentralen Kreisverkehrs“, sagt Wewers. Ein großer Erfolg ist da schon der Neubau der Volksbank Oer-Erkenschwick an der Stimbergstraße 113. Das alte Haus wurde abgerissen, an derselben Stelle entstehen gerade die neue Filiale im Erdgeschoss und darüber 29 Wohnungen für Singles und Familien. Filialleiterin Barbara Bohner bekennt sich zur Stadt: „Die Tatsache, dass wir an fast gleicher Stelle wieder eine neue Filiale bauen, zeigt, dass uns unsere jahrzehntelange Geschichte in der Stimbergstraße wichtig ist. Wir sind gerne hier und möchten es auch bleiben, um diese Tradition fortzusetzen.“

Dabei ist sich die Volksbank der Besonderheit des Standortes bewusst: Das neue Gebäude wird die Innenstadt entscheidend mitprägen, wurde daher bei Fassade und Höhe sorgfältig der Umgebung angepasst.

Am Tortenstück klemmt´s

An einer anderen prominenten Stelle, die einmal das „Tor zur City“ werden soll, klemmt es leider noch immer: Beim Klemm- Dreieck geht es seit Jahren irgendwie nicht weiter. Der große Gebäudekomplex zwischen der Stimbergstraße und der Marktstraße ist vorne spitz und hinten breit – wie ein Tortenstück. In der Spitze betrieb Otto Klemm bis 1994 ein beliebtes Kaufhaus. Die Gebäude gehören der Berliner Accentro Real Estate AG. Das ist ein börsennotiertes Immobilienunternehmen, Spezialgebiet: Wohnungsprivatisierung.

Die Situation im Immobilienmarkt ist zurzeit allerdings mau, Der Accentro-Aktienkurs begann 2007 mal bei knapp unter 30 Euro pro Stück, lag vor gut fünf Jahren noch über 10 Euro – und dümpelte jetzt Ende Februar bei 0,25 Cent.

Drumherum tut sich was

Die ersten Berliner Pläne für das Klemm-Dreieck sahen vor zwei Jahren gut aus: 13 Ladenlokale für Gewerbe und Gastronomie im Erdgeschoss, 58 Wohnungen in den Stockwerken darüber und als Ankermieter die Stadtbibliothek. Es passierte nichts. Die Arbeiten könnten, erklärte Accentro dann vor gut einem halben Jahr, in 2026 beginnen. Seitdem herrscht Funkstille. Und das „Tortenstück“ zerfällt zusehends. Teile der Fassade und des Daches sind bereits heruntergefallen. Die Stadt musste einen
Sicherungszaun aufstellen. „Wir haben Accentro schriftlich aufgefordert, ihre Gebäude abzusichern“, sagt Stadtsprecher Jörg Müller. „Das ist nun auch geschehen.“

28.02.2025
Oer- Erkenschwick 
Baustelle Stimbergstr / Goethestraße 
foto: copyright  marco stepniak  -  
mobil  +49 171 2771906 ,  marco@stepniak-bild.de
Rund um das frühere Klemm-Kaufhaus
entwickelt sich die Innenstadt prächtig. Das habe Signalwirkung. Foto: Marco Stepniak

Was Bürgermeister Carsten Wewers sich für das Filetstück der Innenstadt wünscht? „Oben hochwertigen Wohnraum. Das ist bei uns der Renner. Unten dann vernünftige Gastronomie zum Verweilen und Genießen. Und Dienstleistung und Gewerbe, gerne auch Nischenprodukte“. Die Spitze wird, so hofft er, zum gläsernen Stadttor. Dort soll dann die Stadtbücherei einziehen, „hell und luftig und mit einladendem Lesecafé.“

Trotz der andauernden Hängepartie: Die Hoffnung aufgegeben hat der Bürgermeister noch nicht. „Drumherum tut sich bei der Innenstadt-Entwicklung so viel“, sagt Wewers, „wir hoffen, das hat Signalwirkung auch für diesen Investor.“ Und auch an die Hausbesitzer im Herzen der Stimbergstadt appelliert er immer wieder: „Die Chancen sind da, nutzt sie!“

Sanieren und Geld sparen

Mit einer Veränderungssperre und einer Sanierungssatzung für die City hat sich Oer-Erkenschwick den Einfluss auf künftige Umbaumaßnahmen gesichert. Die Stadt könnte über eine ähnliche Satzung auch einen festen Zeitplan vorgeben. Aber das ist rechtlich nicht einfach, dauert und taugt deshalb “nicht als kurzfristige Lösung”. Besser und schneller voran geht es, wenn die privaten Immobilieneigentümer die Möglichkeiten der Sanierungssatzung nutzen. Der Vorteil: Geld gespart! Nach dem Einkommensteuergesetz gibt es in Sanierungsgebieten für viele bauliche Maßnahmen erhebliche Steuervorteile. Die Bescheinigung dafür erteilt die Stadt. Man muss vorher mit ihr eine Vereinbarung schließen.

In Sachen Klemm-Dreieck hofft die Stimbergstadt nun auch auf die neue Initiative „Bau – Land – Leben“ des NRW-Kommunalministeriums. Sie unterstützt Kommunen bei der Entwicklung „schwieriger“ Flächen und Bestandsimmobilien. Oer-Erkenschwick hat sich beworben, in der Hoffnung auf Hilfe bei der Kontaktherstellung zu Accentro und dem “Entklemmen” am Dreieck.

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